Kommentar
Die Bundesregierung setzt die UN-Resolution 1325 bisher nur mangelhaft um. Sie ignoriert die Erkenntnisse der Geschlechterpolitik, die international Standard geworden sind.
Seit Jahren wiederholt die Merkel-Regierung gebetsmühlenartig, Deutschland brauche keinen Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-Resolution 1325. Sie tut das jetzt in der Koalition mit der FDP wie zuvor in der Koalition mit der SPD und ignoriert damit seit Jahren die Forderungen des deutschen Frauensicherheitsrates und anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen. Die Begründung:
Gender-Mainstreaming und zwei Aktionspläne zur zivilen Krisenprävention und zur Gewalt gegen Frauen reichten aus. Außerdem lege Deutschland regelmäßig detaillierte Berichte zur Umsetzung der Resolution vor.
Die Bundesregierung will offenbar nicht verstehen, dass die genannten Aktionspläne den Kern der UN-Resolution gar nicht berühren. Der eine - Aktionsplan II zur Bekämpfung häuslicher Gewalt (2007) - dient dem Schutz von Frauen vor familiärer Gewalt; der andere Aktionsplan « Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung » (2004) formuliert zivile, das heißt, nichtmilitärische Maßnahmen und Handlungsoptionen - ohne konkrete frauen- und geschlechtsspezifische Ansätze.
Auch Gender-Mainstreaming erfasst den Kern der UN-Resolution 1325 nicht. Es ist ein Managementinstrument, das die Leitungs- und Führungsebenen in Institutionen, Verwaltungen und Politik verpfl ichtet, Chancengleichheit für Frauen und Männer durchzusetzen.
Zwar wäre seine Anwendung gerade im Außen- und Verteidigungsministerium sowie bei der Bundeswehr dringend nötig. Doch eine konsistente geschlechter- und friedenspolitisch nachhaltige Gesamtstrategie ist mit Gender-Mainstreaming allein nicht zu erreichen. Die von den Vereinten Nationen geforderten bisher vorliegenden Berichte der Bundesregierung von 2004 und 2007 (ein dritter ist seit Oktober 2010 überfällig) zeigen: Deutsche Politik im Sinne der UN-Resolution 1325 beschränkt sich auf eine unsystematische und beliebige Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen der Frauenförderung in Drittstaaten; zum Teil werden auch klassische Projekte der Entwicklungszusammenarbeit als 1325-Projekte ausgegeben.
Bisher haben von den 192 UN-Mitgliedsstaaten 25 Länder Nationale Aktionspläne entwickelt, darunter 14 in Europa und acht in Afrika. Auch die EU hat sich in mehreren Dokumenten inzwischen zur Umsetzung der Resolution und zu Nationalen Aktionsplänen bekannt. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik lehnt einen solchen Plan bisher ab. Das ist ignorant und überheblich gegenüber den Erkenntnissen und Vorgaben der Geschlechterpolitik, die international - zumindest auf dem Papier - Standard geworden sind.
Die von der EU und der UNO entwickelten Indikatoren müssen mit Hilfe einer gemeinsamen Strategie umgesetzt werden - Deutschland könnte in diesem wichtigen Prozess zum Bremsklotz werden. Dahinter steckt eine zutiefst patriarchal-paternalistische und hegemoniale Grundhaltung, die in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik offensichtlich noch immer tief verankert ist. Das ist umso brisanter, als Deutschland neuerdings wieder nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ist. Dessen Aufgabe ist es, die Umsetzung seiner Resolutionen zu überprüfen.
Wie will Deutschland dort als wichtiger EU-Akteur gegenüber anderen Regionen und Staaten glaubwürdig sein? Wie will es sich überzeugend in Konfliktländern gemeinsam mit den Vereinten Nationen und der EU für Aktionspläne starkmachen? Es wird Zeit, dass die Bundesregierung die Vorschläge der zivilgesellschaftlichen Gruppen aufgreift, sich bei ihnen Rat und Unterstützung holt und endlich eine nachhaltige, geschlechterpolitische Friedenspolitik einleitet. Mit ihrer Augenwischerei wird sich die Bundesregierung auf Dauer nicht durchmogeln können - es sei denn, sie möchte sich weiterhin des Rufes erfreuen, eines der Schlusslichter in der Geschlechterpolitik der EU zu sein.
Böll.Thema 1/2011: Wie Frauen und Männer gemeinsam Frieden schaffen
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